Veröffentlicht am 24.11.2015 von BMGesundheit
10 Jan
Es ist die größte Pflegereform aller Zeiten

Ab 2017 werden die Pflegestufen „0“, 1, 2 und 3 von den Pflegegraden 1, 2, 3, 4 und 5 abgelöst. Diese Änderungen werden im Rahmen des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) in Kraft treten und sollen vor allem demenzkranken Älteren die gleichen Pflegeleistungen zusichern wie körperlich Pflegebedürftigen.

Pflegegrade - Was ändert sich?


Das Pflegestärkungsgesetz II sieht zum 1.Januar 2017 eine Umwandlung der bisherigen Pflegestufen in Pflegegrade vor. Das ist die wichtigste Neuerung, denn sie definiert den Begriff Pflegebedürftigkeit von Grund auf neu. Außerdem soll es zum 1. Januar 2017 eine Beitragserhöhung von 0,2 Prozent zur Pflegeversicherung geben. Welchen der fünf Pflegegrade jemand erhält, ist vom Grad seiner Selbstständigkeit in den folgenden sechs Bereichen abhängig:


  • 1. Mobilität - Fortbewegung innerhalb des Wohnbereichs (10%)
  • 2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten - Orientierung und Sachverhalte begreifen (mit Punkt 3 zusammen 15%)
  • 3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen - Unruhe in der Nacht, Ängste, Agressionen (mit Punkt 2 zusammen 15%)
  • 4. Selbstversorgung - selbständig waschen, essen, Benutzung der Toilette (40%))
  • 5. Bewältigung von krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen (20%)
  • 6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte - Tagesablauf selbständig gestalten, mit anderen Menschen in direkten Kontakt treten (15%)

Wichtige Fragen zur neuen Reform der Pflegegrade
Neues Bewertungssystem - Pflegegrade

Bislang muss Pflegebedürftigkeit mindestens sechs Monate bestehen, damit sie als solche anerkannt wird. Ab 2017 spielt der Faktor Zeit keine Rolle mehr. Ebenso verändern sich Begutachtung und Bewertung von Antragstellern.


Das neue Bewertungsverfahren baut auf Praxiserfahrungen der vergangenen Jahre auf und erfasst alle relevanten Bedürfnisse und Belang. Per Anamnese werden Schädigungen und Beeinträchtigungen festgestellt. Daneben wir die Wohn-, Lebens- und Versorgungssituation des Betroffenen einbezogen. Die dadurch differenzierteren Ergebnisse werden künftig in fünf Pflegegrade eingeordnet.


Wichtig:
Alle die schon eine Pflegestufe haben, werden automatisch in die neuen Pflegegrade überführt werden. Ein neues Gutachten muss dabei nicht erstellt werden!

Pflegegradüberleitung - das sind die "neuen Pflegestufen"
  • Pflegestufe 0 -> Pflegegrad 1
  • Pflegestufe 0 mit eingeschränkter Alltagskompetenz -> Pflegegrad 2
  • Pflegestufe I -> Pflegegrad 2
  • Pflegestufe I mit eingeschränkter Alltagskompetenz -> Pflegegrad 3
  • Pflegestufe II -> Pflegegrad 3
  • Pflegestufe II mit eingeschränkter Alltagskompetenz -> Pflegegrad 4
  • Pflegestufe III -> Pflegegrad 4
  • Pflegestufe III mit eingeschränkter Alltagskompetenz -> Pflegegrad 5
  • Pflegestufe III Härtefall -> Pflegegrad 5
  • Pflegestufe III mit eingeschränkter Alltagskompetenz + Härtefall -> Pflegegrad 5
Quelle: Sozialgesetzbuch (SGB XI), Elftes Buch, Soziale Pflegeversicherung, § 140
Pflegegrade - was sind die Vorteile?

Der Begriff Pflegebedürftigkeit hat sich in erster Linie auf körperliche Einschränkungen bezogen und wurde deshalb pflegebedürftigen Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, wie z.B. Demenz, nicht umfassend gerecht. Laut Bundesministerium für Gesundheit nimmt "der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff den Menschen in seiner Lebenswelt in den Blick und berücksichtigt alle für das Leben und die Alltagsbewältigung eines Pflegebedürftigen relevanten Beeinträchtigungen".


Schon mit der Einführung des PSGI können Plfegebedürftige mit Pflegestufe 0 u.a. auch Leistungen der Tages- und Nachtpflege erhalten. Mit dem PSG II sollen Pflegebedürftige mit Demenz noch stärker berücksichtigt werden, indem die alten Pflegestufen gegen Pflegegrade ausgetauscht werden. Damit entfällt die provisorische Pflegestufe 0.


Wichtig:
Für alle, die automatisch Pflegegrade statt Pflegestufen erhalten, soll eine Bestandschutzregelung gelten. Demnach wird niemand schlechter gestellt oder zurückgestuft.


Gibt es weitere Vorteile? Pflegebedürftige ohne eingeschränkte Alltagskompetenz sollen einen einfachen Stufensprung (von Pflgestufe 1 in Pflegegrad 2 usw.) erhalten. Pflegebedürftige mit eingeschränkter Alltagskompetenz hingegen profitieren von einem doppelten Stufensprung - also etwa von Pflegestufe 1 in Pflegegrad 3 (Welches finanzielle Plus dabei herausspringt, s. Kasten rechts)


Beispiel:

Wurde ein pflegebedürftiger Angehöriger nach dem alten System in Pflegestufe 1 eingeordnet, erhält er bis zum 31.12.2016 noch Pflegesachleistungen von 468,- Euro monatlich. Wird er zum 1.1.2017 in den Pflegegrad 3 übergeleitet, erhält er monatlich1298,- Euro.

Wann ist man ein Pflegefall?

Pflegebedürftig sind Personen, deren Fähigkeit und Selbstständigkeit gesundheitlich bedingt beeinträchtigt und deshalb auf die Hilfe durch Andere angewiesen sind.


Dabei handelt es sich primär um Personen, die körperliche, kognitive oder psychologische Beeinträchtigungen nicht ohne Hilfe überwinden können.

Was kann die gesetzliche Pflegeversicherung?

Der Staat ist seit Längerem der künftigen Altersstruktur in Deutschland bewusst. Und so war die gesetzliche Pflegeversicherung von vornherein nur als eine Art Teilkaskoversicherung im Pflegebereich gedacht.


Zwar richtet sie sich nach Schwere der Pflegebedürftigkeit, aber weder kann noch soll sie die gesamten Pflegekosten abdecken. Und das bedeutet: Menschen mit Pflegebedarf müssen eine "Selbstbeteiligung aufbringen, wenn das monatliche Budget der gesetzlichen Pflegeversicherung aufgezehrt ist.

Wie vorsorgen gegen die Pflegelücke?

Ohne private Vorsorge bedeutet ein Pflegefall eine enorme Belastung für Betroffene und Angehörige. Zwar kann man diese Risiken schwerlich wegzaubern, aber die finanziellen Folgen bestmöglich absichern.


Die vollstationäre Pflege wird gewährt, sobald eine häusliche oder teilstationäre Pflege nicht mehr möglich oder zumutbar ist. Entsprechend des Pflegegrades zahlt die Pflegekasse an das Pflegeheim einen pauschalen Pflegesatz. Wer allerdings die Diskrepanz zwischen dieser Pflegesachleistung und den tatsächlichen Kosten für eine Pflegesatz betrachtet, sieht schnell Handlungsbedarf.


Die gesetzliche Pflegeversicherung hat lediglich den Aufwand für Pflege, medizinische Versorgung und soziale Betreuung im Visier. Kosten für Unterbringung, Verpflegung, Investitionen und eventuelle Komfortleistungen müssen Versicherte selbst tragen.


Ambulant vor stationär

70 Prozent aller gegenwärtig Pflegebedürftigen in Deutschland werden in Ihrem Zuhause betreut.
Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 18.01.2013


So möchte es auch das Gesetz. "Ambulant vor stationär" ist ein Grundsatz der gesetzlichen Pflegeversicherung und im Sozialgesetzbuch geregelt. Zweifellos ziehen die meisten Betroffenen auch aus emotionalen Gründen eine Pflege in der gewohnten Umgebung einem Pflegeheim vor. Jedoch darf auch bei der häuslichen Pflege nicht unberücksichtigt bleibe, welchen finanziellen und persönlichen Belastungen damit verbunden sind.

Das belastet die pflegenden Angehörigen
  • 30% - "Durch die Pflege wird meine Gesundheit angegriffen."
  • 35% - "Ich fühle mich hin- und hergerissen zwischen den Anforderungen meiner Umgebung (zum Beispiel Familie) und den Anforderungen durch die Pflege"
  • 49% - "Ich fühle mich körperlich erschöpft"
  • 55% - "Ständig in Bereitschaft zu sein, strengt mich sehr an"
  • 62% - "Die Pflege kostet mich viel von meiner eigene Kraft"

Quelle: Pflegestudie der Techniker Krankenkasse 2014[/small]

Seniorengerechtes Wohnen

Lediglich ein geringer Anteil des Wohnungsbestandes in Deutschland ist seniorengerecht ausgebaut. Schmerzlich bewusst wird diese Tatsache im Pflegefall. Der Umbau zu einem barrierefreien Zuhause kann helfen, weiterhin so selbstbestimmt wie möglich in der gewohnten Umgebung zu bleiben.


Darüber hinaus gibt es intelligente Smart-Home Systeme, die verschiedenste Abläufe erheblich erleichtern. An den gesamten Umbaumaßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes innerhalb ein und desselben Zeitraums beteiligt sich die Pflegekasse mit maximal 4.000 Euro.


Ein weiterer Zuschuss in derselben Höhe ist erst nach einer Veränderung der Pflegesituation möglich.


Zwickmühle für Angehörige

Wer sich entscheidet, einen Angehörigen zu Hause zu pflegen, übernimmt eine große Verantwortung. Laut einer Studie der Techniker Krankenkasse von 2014 sind zwei Drittel der pflegenden Angehörigen jeden Tag im Einsatz. Für Berufstätige stellt dies eine enorme Zerreißprobe zwischen ihrem Pflichtgefühl gegenüber der Arbeit und gegenüber dem Pflegebedürftigen dar.


Das Pflegezeitgesetz bietet seit 2015 Unterstützung bei diesem Spagat: In einem akuten Pflegefall können sich direkte Angehörige bis zu zehn Tage vom Arbeitgeber freistellen lassen. In dieser Zeit erhält der Arbeitnehmer Lohnersatzleistungen in Form des Pflegeunterstützungsgeldes.


Auch eine Freistellung bis zu 24 Monaten ist möglich, allerdings nur unter der Voraussetzung eines komplexen Zusammenspiels verschiedener Parameter. Und zum Ausgleich des Verdienstausfalls wird lediglich ein zinsloses Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gewährt.

Ambulante Betreuungsformen

Ergänzend zur häuslichen Pflege etablieren sich zunehmend ambulante Betreuungsformen. Durch Angebote, wie Kurzzeit-, Tages- und Nachtpflege können pflegende Angehörige entlastet werden. Tages- und Nachtpflege werden finanziell durch die gesetzliche Pflegeversicherung unterstütz.


Aber es gibt nach Pflegegraden festgelegte Grenzen. Deshalb bietet die Pflegekasse Angehörigen auch Kurse und Gesprächskreise rund um das Thema Pflege an. Dort sind Informationen und Erfahrungsaustausch möglich.

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